DRK: Post Mortem, Teil 2

Die reisende Kaiserin

Nachdem es letztes Mal etwas kleinteilig war, nehmen wir diesmal den etwas größeren Pinsel zur Hand. Ein Ziel des Bandes, der mir besonders am Herzen lag, war die Ausgestaltung des aventurischen Rittertums. Bei DSA4 waren Ritter ziemlich gekniffen, speziell was die Generierung angeht. Aber da ich sie sehr charmant fand, habe ich die Chance genutzt dem Konzept etwas Fleisch auf die Knochen zu schreiben. Entsprechend wird erst einmal das Konzept „Ritter“ auseinandergenommen und wieder richtig herum zusammengesetzt. Es gab vorher ab und an Diskussionen, was denn nun ein Ritter sei, und darauf finden sich in Aventurien wie auch im Mittelalter mehrere Antworten. Daher der Erklärungsblock auf S. 19.

Dann geht es weiter mit den verschiedenen Situationen, in denen man dem Hof begegnen kann. Auf Reisen hatten wir schon, danach kommen entsprechend Reichstage und Kongresse und zu guter Letzt noch der Hof im Kriegszustand, was immer wieder gerne diskutiert wird, besonders von den Zahlenschubsern unter uns. Hier wird auch nochmal darauf eingegangen, warum das Rittertum unter Rohaja so an Bedeutung gewinnt.

Und damit kommen wir schon auf S. 21 an und dem Lobgedicht aus „Rohaja, die Heldenkaiserin“. Mein Lektor fand es wichtig, das Wort schwülstig einzuschieben (ich habe extra nochmal ins Manuskript geschaut). Nuja, es ist halt dichterische Arschkriecherei, damit verdienen die fahrenden Minnesänger nunmal ihr Geld. Der eigentliche Abschnitt geht auf die nicht ganz unwichtige Frage ein, wie man eigentlich zur Kaiserin kommt und was man da so sehen und erleben kann. Das ist für Spieler ja schon was schönes, mal die Chefin zu treffen. Die klare Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Kaiserin fand ich da einerseits recht historisch und andererseits auch sehr schön, um die Zwickmühle zu unterstreichen, in der sich die eigentlich offene und diskussionsfreudige Kaiserin befindet, wenn es an die Repräsentation des Reiches geht. Weiter hinten im SL-Teil gehe ich dann auf Sicherheitsmaßnahmen etc. ein, sollten die Charaktere unbemerkt mit der Kaiserin reden wollen oder von mir aus sie entführen oder einen Pferdekopf auf ihr Kopfkissen legen, was je nach Abenteuer ja durchaus auch mal relevant sein kann.
Nun folgen die Reichsinsignien, von denen es gefühlt hunderte gibt. Ich habe zwar einiges an Recherchezeit da rein gesteckt, aber auf die Ehreninsignien des Reiches wäre ich selbst kaum gekommen. Vielen Dank daher für die Erweiterung. Das zeigt übrigens auch die hilfreiche Arbeit eines Redakteurs. Als Autor weiß man halt auch nicht alles, gerade bei so einem über die Jahrzehnte doch sehr ausgiebig beackerten und entsprechend gewucherten Thema.
Und da haben wir sie auch schon, die Panthergarde als Leibwächter der Kaiserin (wie gesagt, im Meisterteil hinten noch mit Handlungsbeschreibungen im Ernstfall, Werten etc. Da mag vielleicht der Shadowrun-Autor bei mir durchbrechen). Dazu die Sonnenlegionäre, um die es einiges an Diskussion gab, die ich aber als Vertreter der 12göttlichen Kulte durchaus sinnvoll am Hof vertreten sehe. Zu guter Letzt kommen noch zwei etwas eigenwillige Gestalten: Yandwig von Zweifelfels und den Streiter des Reiches. Ursprünglich stand hier jemand anderes, aber der ist leider der Schere zum Opfer gefallen bzw. schien nicht ins Bild des Hofes zu passen. Da ich hier ja Platz habe, hier das Original aus dem Manuskript:

Yossov von Bön
Eine etwas eigenwillige Position nimmt der Junker Yossov von Bön am Hof der Kaiserin ein. Der hünenhafte Aranier ist ständig in der Nähe der Kaiserin und scheint ihr als Bediensteter und Leibwächter zu folgen. Hinter vorgehaltener Hand wird er auch „Rohajas dritter Hund“ genannt, was Bezug auf die beiden Jagdhunde nimmt, die sie außerhalb offizieller Termine oftmals begleiten. Er ist auf Turnieren der auserwählte Favorit der Kaiserin, und auch wenn er im Tjost nicht allzu viel Geschick beweist, ist er im Kampf mit leichten wie mit schweren Waffen gefürchtet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser ausgesprochen unansehnliche Hüne während der Turniere und anderer höfischer Anlässe die Aufgabe hat aufdringliche Bewerber um die Hand der Kaiserin auf Distanz zu halten, und da nur ein Ritter gleichzeitig für eine Hofdame in einem Turnier antreten kann, bleiben auf diese Weise die teilweise in Handgreiflichkeiten mündenden Streitigkeiten zwischen den um die Gunst der Kaiserin buhlenden Jünglinge aus. Zudem hat er schon einige allzu aufdringliche Minnesänger mit einem gut beinlangen Zedernknüppel vor der Unterkunft Rohajas vertrieben.

Bei den Ingame-Texten über den Hoftag von Ragath taucht er tatsächlich nochmal als ungenannter Teilnehmer auf, der einen anderen Turnierkämpfer mit seinem Stock verprügelt. Aber hier hat ihn die Schere erwischt. Die Grundidee war, dass Rohaja jemanden braucht, der ihr Verehrer vom Leib hält, ohne in den Verdacht zu geraten, dass sie etwas mit ihm hat. Außerdem sollte es einem Ritter nichts bringen, ihn herauszufordern, weil damit kein Ehrgewinn verbunden ist, aber eine Niederlage besonders peinlich werden kann. Yossov war da eine gute Wahl. Ein Mann von erlesener Hässlichkeit, Rohaja treu wie ein Hund, aber im Kampf reichlich unhöfisch. Gleichzeitig in der Königsdisziplin, dem Tjost, nicht so gut, dass er den anderen ständig die Schau stiehlt, was für Turniere sonst recht frustierend wäre. Wer will schon antreten, wenn eh immer der Ritter der Kaiserin gewinnt?

Die Kaiserin und ihr Umfeld
Auch hier hat es einen Textschnipsel erwischt, diesmal von unser aller gutem Freund, Faramud, der arg über die Kaiserin ablästert. Denn eine Frau auf dem Thron, da hört es mit dem Verständnis bei unserem Novadi nun wirklich auf. Was soll ich sagen, ich mag Faramud, die alte Heulsuse.

Werter Oheim, die Verhandlungen mit dem Nordmärker Fürsten blieben leider ergebnislos. Es ist kaum möglich eine akzeptable Braut für meinen werten Vetter unter den Töchtern der ungläubigen Fürsten zu finden. Es liegt weniger an den Vorstellungen meines werten Vetters, doch die Frauen in diesem ewig kalten Land scheinen kaum eines eurer Söhne würdig, edler Oheim. Zwar gibt es genügend von schlankem Wuchs und mit goldenem Haar, so wie es mein geliebter Vetter wünscht, allein ihr Benehmen ähnelt nicht im geringsten einer Prinzessin aus eurem Hause. Sie sind wild und zügellos, viele von ihnen gehen dem Kriegshandwerk nach wie ihre Männer und am schlimmsten treibt es ihre Kaiserin. Sie herrscht über das Reich im Norden nicht nur ohne Gatten, es gibt nicht einmal einen Vater oder Oheim, der bis zu ihrer Vermählung als Regent die Herrschaft ausübt. Sie alleine sitzt auf dem Greifenthron und oft genug trägt sie den schweren Panzer, der bei den Reiterkriegern in diesem Lande üblich ist, und ein geradezu obszön wirkendes, riesenhaftes Schwert. Und als ob dies nicht genug wäre, sagt man sie halte sich einen Liebhaber aus Al’Anfa, der sie in ihrem schändlichen Treiben auch noch unterstützt. Doch selbst sollte sich an diesem von Rastullah verfluchten Ort eine sittsame Jungfrau unter den Fürstentöchtern finden, ist ernsthaft zu bezweifeln, ob sie bereit sein wird von ihrem falschen Götzendienst abzuschwören und sich der Weisheit Rastullahs zu unterwerfen.Eine weitere Suche erscheint mir daher aussichtslos. Ich erbitte, ja erflehe daher untertänigst die Erlaubnis in die geliebte Heimat zurück kehren zu dürfen.
– Depesche von Faramud Ibn Rassan, Neffe von Kalif Malkillah III. von Unau, an seinen Onkel

Aber kommen wir zu dem, was im Buch steht. Es geht erstmal um ihre Verwandtschaft, was schon ein ziemliches Gesammel war. Der Stammbaum derer von Gareth ist ja doch etwas weitläufiger, wenn auch mit ziemlichen Löchern drin. Das „Linnenkabinett“ hieß zwischendurch mal „Küchenkabinett“, so wie man bisweilen den Beraterstab um Friedrich Barbarossa herum nennt, aber ich meine mich dunkel daran erinnern zu können, dass wir uns dann später auf Linnenkabinett geeinigt haben. Aber ist halt auch schon was her. Auch dieses Konstrukt unterstreicht den Spagat zwischen öffentlicher Repräsentation mit all den wichtigen Leuten und noch wichtigeren Titeln, und dem eigentlichen Weg der Entscheidungsfindung, die in deutlich kleinerem und inoffiziellerem Kreise geschieht.

Die Hofämter
Ich habe lange daran herumlaboriert, wie ich hier das Buch weiter aufbauen soll. Geht man die wichtigen Personen durch und ordnet ihnen quasi nebenher die Aufgaben zu, macht also quasi alles in einem Abwasch? Oder geht man erst die Funktionen durch und dann die Personen? Ich habe mich der Übersichtlichkeit wegen für letzteres entschieden. Hierdurch kommt es zwar zu kleineren Wiederholungen im Text, weil bei den Funktionen kurz auch die Inhaber dieser Funktionen angesprochen werden, aber es versinkt nicht in den deutlich längeren NSC-Beschreibungen.

Eröffnet wird das Kapitel mit einem Zitat aus der renovatio curiae, bei der ich versucht habe den Tonfall spätmittelalterlicher bzw. neuzeitlicher Verordnungen zu treffen. Das ganze Konzept der renovatio curiae hat, wie schon geschrieben, den Zweck, den Wust an Ämtern zu beschneiden, der über die Jahrzehnte der Entwicklung von Aventurien so erfunden wurde. Erz-, Hoch- und Reichsirgendwasse scheinen zeitweise mit der Schaufel über das Setting verteilt worden zu sein. Ich habe die ganze Sache runter gestutzt auf die Verwaltungsjobs des staufischen Hofes (+ aventurische Zusätze wie die ganzen Geweihten und den Hofzirkel der Magier), einerseits weil ich mich damit gut auskenne und zweitens weil es plausibel funktioniert. Außerdem kennt man als historisch angehauchter Fantasyrollenspieler so Begriffe wie „Kämmerer“ oder „Truchsess“, da muss man sich nicht zwanghaft was aus den Fingern saugen. Immerhin, so kann man was bei der Lektüre lernen.

Nebenbei sei auf das Brevier des reisenden Ritters auf S. 32 verwiesen. Ich hätte da schon ziemlich Lust drauf ein Benimmbuch in Art der Vademecums für Ritter und Krieger zu schreiben. Die ersten groben Ideen hab ich vor einiger Zeit mal verbloggt. Nach DSA4-Regeln hat das Brevier sogar regelseitige Effekte. Findet sich im SL-Teil.

Glieder des Hofes
Hier geht es mit den Verwaltungspositionen weiter. Man kann sicher diskutieren, ob das alles abenteuerrelevant ist, und ich kann durchaus sagen: Eher nicht. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele DSAler es gern detailverliebt mögen, und wenn ich schon einen Band zum Kaiserhof mache, dann soll er was das angeht auch vollständig sein und das bisherige Gewirr sauber neu sortieren.

Ich finde die Hofkapelle recht interessant, weil sie den Stellenwert der Geweihtenschaft am eigentlich ja rein weltlichen Kaiserhof unterstreicht. Da einige Leute sich an dem Begriff der Kapelle hochgezogen haben, habe ich eigens noch eine Erklärung eingefügt, warum die Kapelle eben Kapelle heißt und nichts mit Musikinstrumenten zu tun hat. Der Begriff der Kapelle wird eigentlich vom Mantel (lat. capella) des Heiligen Martin abgeleitet, der am Hof der Karolinger verwahrt wurde. Natürlich gibt es den in Aventurien nicht, dafür aber den Krönungsmantel der mittelreichischen Kaiser. Da war der Weg dann nicht weit.

Nach allerlei anderen Hofämtern und Aufgaben kommen dann die Gesandten, die dem Hof ein Gefühl der Unruhe und des Wandels verleihen sollen. Ständig erscheinen Boten, reisen Botschafter und Adlige an oder ab, überall ist was los und theoretisch kann man Leute aus allen Ecken Aventuriens am Hof treffen. Da passt auch der Tross gut dazu, auf den ich später nochmal ausgiebig eingehe.

Eine recht eigenwillige Konstruktion ist die Aufteilung der Kanzlei. Mir ist schleierhaft wie genau das funktionieren soll, aber so ist es nunmal gesetzt. Immerhin habe ich auf die Konsequenzen einer solchen Trennung hingewiesen, was durchaus ein beständiger Quell an Zank und Konflikten sein kann. Und Konflikte sind immer gut, wenn es an Abenteuer geht.

Das Leben im Zeltlager
Definitiv einer meiner Lieblingsabschnitte. Ich find es immer schön, wenn man als SL handfeste Hilfestellungen bekommt, wie das alltägliche Leben abläuft, beispielweise wenn man selbst am Hof erscheint und dort untergebracht werden muss. Worauf muss man achten, was kann Ärger geben, und wie läuft das alles überhaupt ab? Zugegeben, an einigen Stellen ist der Historiker mit mir durchgegangen: Man braucht sicher nicht soooo viele Informationen über den aventurischen Zeltbau. Aber Zelte sind für mich ein spannendes Thema, da es die Bereiche des täglichen Lebens, der Wirtschaft und der Organisation genauso streifen wie den der herrschaftlichen Repräsentation. Und so hat der gepflegte Barbiespieler neben Klamotten, Haustieren und Wohnungen noch etwas, mit dem er sichbeschäftigen kann.

Das Zitat von Junker Guntram auf S. 39 ist eng an eine sehr verspielte Beschreibung des Zeltes der Meeresfee in Ulrich von Zatzikhovens Lanzelet angelehnt. Wenn in der Hochzeit der höfischen Romane Dichter sich ein märchenhaftes Wunderzelt so vorstellten, wer bin ich da, etwas anderes zu behaupten?

https://s-media-cache-ak0.pinimg.com/236x/42/9a/33/429a338f5fda1e886d13b6dcf0429315--salerno-market-stalls.jpgDie Illu auf S.40 basiert auf einer Darstellung aus dem Liber ad honorem Augusti sive de rebus Siculis von 1196. Ich fand sie ganz interessant, weil man an ihr erkennen kann, wie ein Rundzelt tatsächlich aufgebaut war bzw. wie man damit umging. Ist zwar nur eine Spielerei, die man ohne diese Info nicht erkennt, aber für mich war die Illu schon eine sehr schöne Sache.

Die zitierten Feldlagerregeln auf S.40f finden sich recht ähnlich in der Gesta Frederici von Rahewin. Dort erläutert er die Regeln für das Feldlager Friedrich Barbarossas während seines Ausflugs nach Norditalien. Sein Heer sammelte sich in Roncaglia am Po, und bei so vielen bewaffneten Kerlen aus den unterschiedlichen Ecken des Reiches mussten klare Regeln her, was geht und was nicht. Der gesamte Abschnitt über das Feldlager von Roncaglia hat das Kapitel stark geprägt.

Um damit zu schließen sei noch auf den Aufzug aus dem Schild des Hauses Löwenhaupt auf S. 42 verwiesen, der auf einem historischen Konflikt basiert. Auf dem Mainzer Hoftag von 1184 sind der Abt von Fulda und der Erzbischof von Köln so wie hier beschrieben wegen der Sitzordnung aneinander geraten, was recht deutlich zeigt, wie wichtig solche für heutige Verhältnisse triviale Fragen damals waren. Wenn Repräsentation an solchen Kleinigkeiten hängt wie der körperlichen Nähe zum Kaiser, dann kann der falsche Platz am Tisch bereits zu ernsten politischen Konsequenzen führen. Und wenn ein Lehnsherr dabei angegangen wird, steigen auch alle seine Lehnsleute mit in den Ring, was in einer Kettenreaktion ziemlich eskalieren kann. Außerdem unterstreicht kaum etwas diese Problematik wie ein praktisches Beispiel. Den ganzen Zank findet man in der Chronik von Arnold von Lübeck.

Nun ist es doch deutlich ausführlicher geworden als geplant, aber wer dies hier noch liest, scheint ja genug interessanten Lesestoff darin gefunden zu haben.

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Eine Antwort zu DRK: Post Mortem, Teil 2

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