Wir haben uns vor einiger Zeit mit dem Pfingstfest von 1184 beschäftigen dürfen. Bevor wir also zur nächsten Quelle schreiten, schauen wir uns erstmal näher an, aus welchem Blickwinkel unser Chronist Otto von St. Blasien schreibt. Zwar lässt sich der Autor der Chronik historisch nicht mehr genau einer Person zuordnen, aber einige Anzeichen sprechen bereits, neben seinem Namen, eine deutliche Sprache: Er stammt offenkundig aus dem monastischen Bereich, also vermutlich aus dem Benediktinerkloster St. Blasien im Schwarzwald. Das lässt sich alleine schon an den eingeflochtenen Bibelzitaten erkennen. Auch wenn er in seiner Chronik gegenüber dem Konflikt zwischen Welfen und Staufern keine Partei ergreift, ist sein Missfallen gegenüber der weltlichen Prunksucht in seiner Darstellung der Festivitäten deutlich spürbar.
Deutlich positiver sieht der folgende Chronist eben dieses Pfingstfest von 1184, und wie fast immer ist auch er tendenziös, jedoch geht seine subjektive Darstellung in eine deutlich andere Richtung:
Wegen der großen Menschenmenge, die zu diesem Feste herbeiströmte, hatte der Kaiser auf den Wiesen vor Mainz auf dem rechten Rheinufer seine und aller Fremden Zelte aufgeschlagen und große Notbauten errichten lassen. Die Zelte des Herrn Grafen von Hennegau übertrafen die aller übrigen Großen an Zahl und Schönheit. Aus dem ganzen Reiche nördlich der Alpen war zu diesem Hoftage eine solche Menge von Fürsten, Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, Herzögen, Markgrafen, Pfalzgrafen, Edelleute und Dienstmannen erschienen, daß nach einer glaubwürdigen Schätzung siebzigtausend Ritter zugegen waren, wozu dann noch de Kleriker und Leute aus den verschiedensten Ständen kamen. Am heiligen Pfingsttage trugen Herr Friedrich, Kaiser der Römer, und seine Gemahlin, die Kaiserin, mit großer Feierlichkeit Kaiserkronen und ihr Sohn, König Heinrich, die Königskrone. Als es bei dieser Gelegenheit die mächtigsten Fürsten als ihr Recht beanspruchten, das Kaiserschwert tragen zu dürfen, … ward es dem Grafen von Hennegau überlassen. Niemand erhob dagegen Einspruch, weil sein Name in allen Landen hochgefeiert war, er erstmals auf einem Hoftage erschien und dazu viele der mächtigsten Fürsten und Edelleute, die zugegen waren, mit ihm verwandt waren. Am Pfingstmontage wurden der Herr Heinrich, König der Römer, und der Schwabenherzog Friedrich, Söhne des Herrn Kaisers Friedrich, zu Rittern gegürtet. Diese Ehrung veranlaßte diese sowie alle Fürsten und viele Eldelleute, den Rittern, Gefangenen, solchen, die das Kreuz genommen hatten, Spielleuten, Gauklern und Gauklerinnen reiche Geschenke zu übergeben: Pferde, kostbare Kleider, Gold und Silber. Die Fürsten taten dies nicht bloß zur Ehre des Kaisers und seiner Söhne, sondern sie spendeten auch, um ihren eigenen Ruhm weitum bekannt zu machen, mit freigebigerHand. Am Pfingstmontag und Pfingstdienstag begannen die Söhne des Kaisers nach dem Morgenmahl das Turnier, an dem sich schätzungsweise zwanzigtausend oder mehr Ritter beteiligten. Die Turniere wurden ohne eigentlichen Kampf abgehalten, die Ritter ergötzten sich bloß am Schild-, Lanzen- und Fahnenschwingen sowie ihrer Reitkunst. Auch der Herr Kaiser tat mit, und wenn er auch an Größe und Schönheit nicht alle übertraf, so führte er doch seinen Schild am besten. Der Graf von Hennegau diente ihm beim Turnier und trug seine Lanze. Am Dienstag erhob sich gegen Abend ein Sturm und warf die Kapelle des Kaisers sowie einige Häuser, die man wegen der Menge des Volkes am Rheinufer erbaut hatte, um. Die Trümmer erschlugen einige Leute, viele Zelte wurden zerrissen, und alle Menschen befiehl Furcht. Zu diesem Hoftag waren, wie schon erwähnt, siebzigtausend Ritter erschienen, zumal schon die bedeutendsten Fürsten eine große Zahl herbeigeführt hatten: der Herzog von Böhmen 2000, der Herzog von Österreich 500, der Herzog von Sachsen 700 […] der Herr Abt von Fulda fünfhundert, dazu kamen dann noch die übrigen Fürsten… Das für Ingelheim am Rhein angesagte Turnier unterblieb nach dem Rat der Fürsten.
Gislebert von Mons, Chronicon Hanoniense, 1184
Übersetzung aus: Wolfgang Lautemann und Manfred Schlenke (hg.), Geschichte in Quellen, Band II, Mittelalter, S. 446f, mit einigen kleineren Kürzungen meinerseits
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